Abgestempelt

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Was ist das wichtigste Utensil in China? Nicht etwa Essstäbchen, die obligatorische Teeflasche oder ein Regenschirm gegen die Sonne – nein, es ist ein Stempel!
Eine Rechnung („Fapiao“) gilt erst mit einem roten Stempel als offiziell. Wer den Stempel einer Firma besitzt, dem gehört sie. In „meiner“ Firma ist ganz exakt geregelt, wer stempeln darf (eigentlich fast niemand), was gestempelt werden darf und ansonsten werden die wertvollen Stücke im Safe unter Verschluss gehalten…Stempel, vor allem rote, sind in China also eine hochoffizielle Sache! 😀

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(Stempel auf unserer aktuellen Stromrechnung)

Was liegt da näher, als sich einen Familienstempel anfertigen zu lassen? Die chinesische Version unseres Nachnamens, kennen wir, weil sie auf Tinos Visitenkarte prangt: „Kuetre“. Im Prinzip kann man sich in den touristischen Gegenden Shanghais überall einen Stempel gravieren lassen, aber wir wollten das den Profis überlassen und auch ein Stück haben, das nicht schon auf dem Weg nach Hause zerbröselt…

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Dazu geht man am besten in die Fuzhou Lu, dem Mekka für Künstler und Liebhaber der chinesischen Tuschemalerei. Nach drei Läden wurden wir fündig: ein schöner, tiefgrüner Stein (Vielleicht Jade?) mit einer filligranen Schnitzerei als Griff. Dank der Visitenkarte und einem Vorlagenbuch war es dann auch recht einfach, der Verkäuferin klar zu machen, wie das Ganze aussehen soll. Über das „Ü“ hat sie sich erst gewundert, sich dann aber gefreut, weil es im Chinesischen auch einen Laut „Ü“ gibt. 😉

Am Sonntag bestellt und am Montag abgeholt: vom Ergebnis sind wir mehr als begeistert!

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Passend dazu wurde auch noch rote (natürlich!) Stempelpaste erworben. Und nun wird alles abgestempelt, was nicht Niet- und Nagelfest ist! 😀

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Diese Form des Stempels ist natürlich nicht vergleichbar mit den modernen Fapiao-Stempeln. Sie wurden (seit über 2000 Jahren) und werden von Künstlern neben oder unter ihre Tuschezeichnungen gesetzt. Dabei kann der Name enthalten sein oder auch eine Weisheit. Viele Künstler hatten mehrere 100 solcher Stempel und es war durchaus auch üblich, dass Freunde des Künstlers oder verschiedene Besitzer des Gemäldes diesem ihren Stempel „aufdrückten“. Das erklärt, warum sich auf manchen chinesischen Tuschezeichnungen eine Vielzahl von Stempeln befindet.

P.S.: Stempel Nr. 2 ist übrigens für Künstlertante Sissy, die heute Geburtstag hat…Shēngrì kuàilè, gūgu Sissy!

P.P.S.: Wusstes ihr, dass es im Chinesischen unzählige Arten von „Tante“ gibt? Die oben erwähnte gūgu ist die Schwester des Vaters und die yí ist die Schwester der Mutter. Außerdem gibt es noch die bómǔ (Ehefrau eines älteren Bruders des Vaters), die jiùmǔ (Ehefrau eines Bruders der Mutter), shūmǔ (Ehefrau eines jüngeren Bruders des Vaters), dàyí (die ältere Schwester der Mutter) sowie die āyí (Schwester der Mutter, aber eigentlich „Tantchen“) sowie ca. ein halbes Dutzend weiterer Begriffe…herrje ist das kompliziert! 😀

2 Gedanken zu „Abgestempelt

  1. Cindy

    Ich wollte dir mal ein Komliment hinterlassen. Ich wohne jetzt seit drei Wochen in Shanghai und finde deinen Blog super. Hier bekomm ich ein paar schöne Anregungen für mein Leben in den kommenden drei Jahren in Shanghai 🙂 . Danke und weiter so…

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    1. Miriam Artikelautor

      Das ist lieb, vielen Dank! Ich wünsche Dir einen guten Start und eine tolle Zeit in einer faszinierendsten, manchmal aber auch kompliziertesten Städte der Welt – genieß es! 🙂

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